Der Rainbacher Pestteufel

Sage aus Rainbach im Innkreis

Die alte Wirtin in Rainbach saß oft bis lange nach Mitternacht in der Gaststube und wartete auf den Abgang des letzten einsamen Zechers. Sie kannte das immer gleiche Gemermel und war dabei oft für ein paar Minuten eingenickt, was aber die berauschten Alleinunterhalter nicht störte.

Seit einigen Tagen entließ sie die letzten Gäste immer vor Mitternacht. In den Orten rundherum hatte der schwarze Tod grauenhaft gewütet, irgendwann würde er auch hier anklopfen. Die Wirtin hatte bereits Vorbereitungen getroffen. Vor ihrer Schlafkammer stand ein Scheffel. Jeden Abend, bevor sie sich in ihre Kammer zurückzog, bestreute sie die Treppen bis in den Keller hinunter mit Mehl und stieg dann rückwärts, Stufe für Stufe wieder hinauf. Mit dieser List wollte sie den ungebetenen Eindringling in die Irre führen.

Der Pestteufel stürzte eines Nachts ins Vorhaus, riss die erstbeste Laterne von der Fensterbank und suchte den Weg zur Wirtin. Die Spuren im Mehl führten ihn in den Keller. Er kraxelte zwischen den Fässern herum, wo er ihr Versteck vermutete. Unversehens trat er dabei auf eine Mostpipm. Eins Schwall schoss heraus, und der arme Teufel hatte alle Mühe, in der Mostlache die Pipm und im Fass das Loch wieder zu finden. Er war pitschnass und fluchte wie ein Berserker. Er stolperte über die Kellertreppe, hielt sich dabei an einem Seil fest, wonach die Falltür zufiel und ihn unsanft am Schädl traf. Selbst für ihn war für Sekunden „black out“, dann erwachte mit seinen Sinnen eine umso größere Gier nach dem Leben der Wirtin.

Diese hatte inzwischen einen pompösen Hausaltar auf ihrem Nachtkastl aufgebaut, sämtliche Kreuze, die sie im Haus gefunden hatte, Weihbrunnkessel, Heiligenbilder und Madonnenfiguren aller Art, wie man sie bei Wallfahrten zu kaufen bekam. Der Pestteufel sah schließlich doch das Licht aus den Kammerritzen und polterte über die bemehlten Stufen hinauf, wobei es ihm nochmals die Füße ausriss und er auf die Nase fiel. Dann aber stieß er die Tür auf und sprang mit einem grässlichen Schrei in die Kammer. Da war aber endgültig åha. Die Wirtin kniete vor ihrem Heiligtum und betete inbrünstig zu Rochus und Sebastian, deren Wirken in Sachen Pest als das vielversprechendste galt.

In diesen Bannkreis des Göttlichen war es dem Pestteufel nicht gestattet einzudringen. Er schlug die Tür zu, rutschte auf der Stiege abermals aus, durchschlug bei seinem Aufprall die geschlossene Falltür in den Keller und musste, wie’s der Teufel halt so will, nochmals die Mosttaufe über sich ergehen lassen; er hatte wieder die lockere Pipm abgeschlagen. Pudelnass verließ er den Keller, stieß im Vorhaus alles über den Haufen, was nicht niet- und nagelfest war und verließ blindwütig und jämmerlich fluchend das Wirtshaus und suchte es nie mehr auf.

Quelle: Buch „Das Innviertel und seine Sorgen“